Über Zentralbanken, ihre Reserven und die Frage, ob Bitcoin einen Platz darin hat

Derzeit ist eine "Strategische Bitcoin-Reserve" ein heißes Thema. Aber was meint das genau? Und was spricht für, was gegen sie? Wir versuchen, auszuloten, welche Vorteile Zentralbanken davon haben können, Bitcoins zu halten - oder auch nicht. Dabei werden wir das Thema der Zentralbankreserven generell tief erkunden.

Jan 23, 2025 - 12:33
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Über Zentralbanken, ihre Reserven und die Frage, ob Bitcoin einen Platz darin hat

Derzeit ist eine „Strategische Bitcoin-Reserve“ ein heißes Thema. Aber was meint das genau? Und was spricht für, was gegen sie? Wir versuchen, auszuloten, welche Vorteile Zentralbanken davon haben können, Bitcoins zu halten – oder auch nicht. Dabei werden wir das Thema der Zentralbankreserven generell tief erkunden.

Trump plant sie, El Salvador und Bhutan haben sie bereits, Sachsen wollte sie ganz und gar nicht, aber der oberste Zentralbanker Tschechiens sowie FDP-Chef Christian Lindner hätten sie gerne: die Strategische Bitcoin-Reserve (SBR).

Auf einer oberflächlichen Ebene ist die SBR einfach erkärt: Zentralbanken nehmen Bitcoin in ihre Reserven auf, so, wie sie bereits Gold, Devisen und Wertpapiere wie Aktien oder Anleihen als Reserve halten.

Ergibt das Sinn? Oder wäre es ein Spekulieren mit öffentlichen Geldern?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir tiefer gehen: Wozu brauchen Zentralbanken überhaupt Reserven? Und welche Anforderungen stellen sie an diese?

Es gibt einiges aufzuschlüsseln.

Zentralbanker gegen eine Reserve

Beginnen wir damit, was Zentralbanker selbst sagen. Glücklicherweise haben erst vor kurzem zwei hochrangige Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank (EZB) die Bitcoin-Reserve kommentiert.

Ulrich Bindseil, ein Generaldirektor der EZB, sowie sein Mitarbeiter Jürgen Schaaf erklären in der FAZ „Was gegen eine Bitcoin-Reserve spricht„. Wer die vergangenen Veröffentlichungen der beiden kennt, dürfte von der Ablehnung nicht überrascht sein.

Konkret über eine Bitcoin-Reserve bei Zentralbanken schreiben sie aber nur in einem einzelnen Absatz: Diese …

… überzeugt nicht. Deren Währungsreserven wie Dollar, Yen, Gold oder Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (IWF) ermöglichen Interventionen und können somit die Währungsstabilität sichern, wobei die Goldreserven westlicher Zentralbanken aus der Bretton-Woods-Ära (1973) stammen und seither eher abgebaut wurden. Die extreme Volatilität des Bitcoin mit Kursgewinnen von 1000 Prozent (2020/21) oder Verlusten von bis zu 80 Prozent (2022) macht Bitcoin per se zu einer unzuverlässigen Anlage, sodass eine Bitcoinreserve für Zentralbanken hohe Verlustrisiken bergen und damit deren Glaubwürdigkeit gefährden würde. Auch wird die Liquidität des Bitcoinmarktes selbst von den eigenen Anhängern als gering eingeschätzt: Die im Vergleich zu Währungsinterventionen geringen Verkäufe konfiszierter Bitcoin durch das Land Sachsen im Juli 2024 wurden als Bedrohung für den steigenden Bitcoinpreis gegeißelt.

Ansonsten schreiben die beiden Ökonomen in dem Gastbeitrag über staatlichen Rohstoffreserven, Staatsfonds oder die gesellschaftlichen Folgen von Bitcoin. Anstatt ihr Wissen über Zentralbankreserven zu teilen, geben sie vor allem selbst Stichworte geben, um die alten und neuen Ressentiments gegen Bitcoin abzuspulen. Dementsprechend fällt ihr Fazit aus:

Wenn der Staat als Käufer im großen Stil auftritt, pumpt er die Spekulationsblase weiter auf und vergrößert den finanziellen und gesellschaftlichen Schaden, der irgendwann unweigerlich eintritt. Es wäre zynisch, wenn fast zwanzig Jahre nach der globalen Finanzkrise der Staat eine Branche von Glücksspielern nicht nur rettet, sondern auf Kosten anderer reicher macht.

Wirklich weiter hilft uns das nicht. Wir behalten den Artikel aber im Hintergrund, während wir uns das Themenfeld der Zentralbankreserven erschließen.

Wozu brauchen Zentralbanken Reserven?

In der Regel weist man den Reserven der Zentralbanken drei Funktionen zu:

  • Sie sorgen dafür, dass die Märkte für Fremdwährungen liquide bleiben, so dass Importeure und Exporteure rasch und günstig Geld wechseln können. Wenn diese Märkte austrocknen, sollte eine Zentralbank in der Lage sein, sie wieder mit Liquidität zu füllen.
  • Die Reserven erlauben es den Zentralbanken, auf den Devisenmärkten zu intervenieren, um den Wert der eigenen Währung zu stabilisieren.
  • Sie schaffen Vertrauen in eine Volkswirtschaft und verbessern die Bewertung der Kreditwürdigkeit durch den Internationalen Währungsfonds (IWF).
  • Sie helfen, mit Finanz-, Wirtschafts- und anderen Krisen umzugehen.

Die Reserven der Zentralbanken, fasst die Schweizer Nationalbank zusammen, „erfüllen wichtige geld- und währungspolitische Funktionen“.  Zentralbanken benötigen sie, „um jederzeit über geld- und währungspolitischen Handlungsspielraum zu verfügen.“ Zudem wirken sie „vertrauensbildend und dienen der Vorbeugung und Überwindung allfälliger Krisen.“

Die genaue Funktion kann sich nach Zeit und Land erheblich unterscheiden. So waren im System von Bretton Woods die meisten Währungen an den Dollar gekoppelt und die Zentralbanken verpflichtet, zu intervenieren, wenn der Kurs aus einem festgelegten Korridor abwich. Nach dem Ende des Systems von Bretton Woods schweben die Wechselkurse frei und Interventionen wurden seltener.

Die EZB hat etwa nur in den Jahren 2000 und 2011 interveniert. 2000 aus Sorge um die Stabilität des Euro, 2011 im Zuge einer Partnerschaft mit der Nationalbank Serbiens. Häufiger intervenieren dagegen die Länder um die Eurozone herum, etwa Dänemark, Schweden, Polen, Tschechien oder Bulgarien. Sie haben sich über Wechselkursmechanismen verpflichtet, ihre Währung innerhalb einer Bandbreite an den Euro koppeln. Auch China oder Japan intervenieren regelmäßig, um den Wechselkurs zum Dollar zu stabilisieren.

Karte mit Ländern, deren Währungen an den Euro gekoppelt sind.

Für viele Entwicklungs- und Schwellenländer dient eine Reserve dagegen vor allem dem Zweck, die Kreditwürdigkeit zu verbessern. Eine starke Reserve erlaubt ihnen, Geld vom IWF zu erhalten, ohne dafür die unbeliebten Sparprogramme fahren zu müssen, die sogenannte Austeritätspolitik.

Ein weiteres Merkmal hebt eine Veröffentlichung der isländischen Zentralbank hervor. Die Reserven dienen dem Schutz vor Krisen. Diese können wirtschaftlicher oder finanzieller Art, aber auch Naturkatastrophen sein. Die Bank von Island hält daher „traditionell Fremdwährungsreserven im Äquivalent von etwa drei Monaten der Importe“, falls es zu Ausfällen der Zahlungsfähigkeit kommt. Wenn man auf einem frostigen, vulkanisch aktiven Felsen wohnt, der nur wenige Zentimeter mit Humus bedeckt ist, können Reserven überlebenswichtig sein.

Wie setzen sich die Reserven zusammen?

Traditionell kommen für die Reserven der Zentralbanken vier Assets in Frage:

  • Fremdwährungen
  • Gold
  • Sonderziehungsrechte beim IWF
  • Reserven beim IWF

Fremdwährungen meint dabei vor allem den Dollar, zu signifikanten Teilen den Euro und ansonsten vor allem den japanischen Yen und das britische Pfund. Australische und kanadische Dollar sowie chinesische Renminbi stellen weitere, aber geringere Teiile. Dabei aber darf man Fremdwährungen nicht zu eng verstehen: Die Zentralbanken halten nur zu kleinen Teilen direkte Bankeinlagen, sondern vor allem Staatsanleihen und vermehr auch Aktien. Sie ähneln also konservativ geführten Portfolio mit ausländischen Papieren.

Zusammensetzung der Fremdwährungsreserven der Zentralbanken laut Weltbank.

Das Sonderziehungsrecht beim IWF meint eine Art Einheit, die den Durchschnittswert der größten Weltwährungen verkörpert. In heutigen Begriffen würde man es eine Art Stablecoin nennen. Die Reserven beim IWF sind ein Guthaben, dass man gegen eine der großen Fremdwährungen nach Wahl einlösen kann.

Bei der Komposition der Reserven orientieren sich Zentralbanken an drei Zielen in absteigender Bedeutung: Sicherheit, Liquidität und Profitabilität. Sicherheit meint, dass die Reserve den Wert erhalten, Liquidität, dass sie rasch und ohne Wertverlauft verkauft werden kann, und Profitabilität, dass ihr Wert wächst.

Profitabilität gilt zwar als unwichtigstes Ziel, wurde aber, erklärt der polnische Zentralbankchef Adam Glapiński in einer Festschrift (2024), „angesichts der dynamischen Akkumulierung offizieller Reserven in der Weltwirtschaft deutlich wichtiger“. Das Ziel im Portfolio-Management sei heute eher „die Profite zu maximieren, während man ein hohes Niveau an Sicherheit und Liquidität erhält.“

Die konkrete Komposition der Reserven unterscheidet sich drastisch:

  • In dern großen westlichen Ländern, in den USA, Deutschland, Italien, Frankreich oder auch der Niederlande halten Zentralbanken rund 70 Prozent ihrer Reserven in Gold. Die US-amerikanische Fed hält 8.130 Tonnne, die Bundesbank 3.350 Tonnen, und die Zentralbanken in Italien und Frankreich knapp 2.500 Tonnen.
  • Bei Entwicklungs- und Schwellenländern ist dieser Wert deutlich geringer, im Durchschnitt bei etwa 30 Prozent, in China nur bei fünf Prozent.
  • Aber auch Japan und die Schweiz halten ihre gewaltigen Reserven von 1,2 bzw. 0,93 Billionen Dollar zum größten Teil in „Fremdwährungen“, was vor allem Anleihen und Aktien meint. Das breite Aktienportfolio der Schweizer Nationalbank kann man öffentlich einsehen. Es enthält übrigens auch Aktien von MicroStrategy – und damit faktisch Bitcoins – im Wert von gut 60 Millionen Dollar.

DIe Goldreserven der westlichen Zentralbanken. Quelle: Festschrift der polnischen Zentralbank (2024)

Wenn Zentralbanken „Fremdwährungen“ halten, meint das zwar meist den Dollar. Doch in den meisten Ländern um die Eurozone herum stellt der Euro die wichtigste Fremdwährung. Einerseits wegender Wechsekursmechanismen, andererseits, weil sie Euro-Reserven für den wichtigen Handel mit den Euro-Ländern benötigen.

Es gibt also keine Blaupause für die Zusammenstellung von Reserven bei Zentralbanken. Vielmehr sind diese ein Resultat der historischen Genese und der jeweiligen Ziele.

Eine kurze Geschichte der Zentralbank-Reserven

Die Geschichte der Reserven ist spannend. Wenn wir verstehen, wie und weshalb sich die Reserven der Zentralbanken gebildet haben, können wir zudem vielleicht erahnen, wie sie sich in Zukunft entwickeln – und ob Bitcoin dabei eine Rolle spielen kann. Die Festschrift des polnischen Zentralbankchefs Adam Glapiński (s.o.) hat dazu ein phantastisches Kapitel, das für meine Recherchen unendlich wertvoll war.

Im System von Bretton Woods

Das System von Bretton Woods prägte die globale Geldpolitik der Nachkriegsjahre. In ihm war der Dollar an Gold gebunden und die anderen großen Währungen an den Dollar. Die US-amerikanische Fed musste das Verhältnis des Dollars zum Gold halten, die anderen Zentralbanken das Verhältnis  ihrer Währung zum Dollar.

Es war in diesem System natürlich, dass sowohl die Fed als auch die anderen Zentralbanken Gold anhäuften. Starke Industrieländer wie Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande investieren die Einnahmen aus Exportüberschüssen in Gold, worauf die enormen Goldbestände der westlichen Zentralbanken erklärten.

Demenstprechend haben Schaaf und Bindseil recht, wenn sie die Goldreserven unserer Zentralbanken ein Relikt des Systems von Bretton Wood nennen.

Die Phase der Fremdwährungen

Nach dem Ende des Systems Bretton Woods, 1973, fluktuierten die globalen Währungen frei nach Marktlage. Zentralbanken konnten intervenieren, mussten aber nicht. Gold hatte die grundlegende Funktion als Basis der Recheneinheiten verloren.

Überraschenderweise blieb die Stellung von Gold in den globalen Reserven lange unangetastet. 1972 stellt Gold 41,9 Prozent der Reserven, 1989 waren es noch 40,3 Prozent. Glapiński erklärt dies dadurch, dass Gold als „Kriegskasse“ im Kalten Krieg wichtig war, und die Zentralbanken ein Instrument gegen die teils hohe Inflation der 70er und 80er behalten wollten.

Nach dem Ende des Kalten Krieges änderte sich dies. Gold verlor rapide an Bedeutung. Sein Anteil sank bis 2008 auf etwa 9,1 Prozent der globalen Reserven. Die westlichen Zentralbanken bauten ihre Goldbestände ab, der Preis fiel auf ein Tief von 252 Dollar je Unze (heute: 2.750 Dollar). Die Talfahrt wurde erst durch die „Central Bank Gold Agreements“ gestoppt, mit denen sich die Zentralbanken darauf einigten, nur gemeinsam und kontrolliert Gold zu verkaufen.

In dieser Phase stiegen die globalen Reserven an sich massiv an. 1996 betrugen sie 1,9 Billionen Dollar, 2022 hatten sie 14,3 Billionen erreicht. In Relation zum globalen BIP stiegen sie von 5,95 auf 14,1 Prozent.

Absolute und relative globale Zentralbankreserven. Quelle: Glapiński 2024

Vor allem die Zentralbanken der Entwicklungs- und Schwellenländer bauten ihre Reserven auf. Sie wollten damit den Import und Export sichern, die eigenen Währungen vor spekulativen Angriffen schützen und die internationale Kreditwürdigkeit vermeiden. Die Asienkrise 1997/98, die auch durch eine fehlende Fremdwährungsabsicherung ausgelöst wurde, war ein mahnendes Beispiel.

Insbesondere die asiatischen Entwicklungsländer, die in dieser Zeit rasch wuchsen, die sogennanten Tigerstaaten, etwa Taiwan, Hongkong, Singapur und Südkorea, erwirtschafteten erhebliche Überschüsse, die sie in starke Zentralbankreserven investierten. In einer zweiten Welle folgten China, Russland, Indien, Saudi-Arabien und Brasilien. Die in dieser Zeit angehäuften Reserven bestanden jedoch kaum aus Gold, sondern fast ausschließlich aus „Fremdwährungen“, was zu großen Teilen US-Staatsanleihen meinte.

Zusammenstellung globale Reserven (aus Glapiński 2024)

Man könnte sagen, dass diese Phase auf dem damals vielbeschrieenen „Ende der Geschichte“ basierte, auf einer globale kapitalistisch-demokratischen Ordnung, in der unter Führung der USA Frieden und Einheit herrscht und die Weltwirtschaft immer weiter wächst. Schaaf und Bindseil, könnte man sagen, stecken gedanklich noch in dieser Phase. Sie genießen aber die komfortable Lage der EZB, die dank der riesigen Goldvorräte der Euro-Notenbanken bestens auf Krisen und Kriege vorbereitet ist.

Die Rückkehr des Goldes

Die Lage änderte sich ab 2007 relativ abrupt. Vermutlich hatte man in Polen sehr viel schärfere Ohren für den Wandel als hierzulande, obwohl er in Deutschland verkündet wurde.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hielt Wladimir Putin seine berüchtete Rede, in der er, so Glapiński, „die politische Ordnung dieser Zeit in Frage stellte.“ Dies wurde „zum Wendepunkt“. Es war kein Zufall, dass sich der Goldpreis bald darauf, zwischen September 2009 und September 2011, verdoppelte.

Glapiński, der seit 2016 der Polnischen Zentralbank vorsteht, erkannte, dass „die Vision, welche die Schwellenländer von der Weltordnung haben, sich signifikant von der polnischen Staatsräson unterscheidet.“ Bisher war die Polnische Zentralbank dem Trend zu Fremdwährungen gefolgt. „Ohne Kriegsparanoia verbreiten zu wollen, kam ich zu der Entscheidung, dass Polen seine Goldreserven erhöhen sollte.“ Ab 2018 begann die polnische Zentralbank also, entschieden Gold zu kaufen.

Kauf von Gold durch Zentralbanken ab 2009. Quelle: Glapiński 2024

Andere Zentralbanken waren, auch unter dem Einfluss der Finanzkrise, schon weiter. Ab 2008 waren die globalen Zentralbanken erstmals wieder Netto-Käufer von Gold geworden, mit stark steigender Tendenz. Noch 2010 stellten sie lediglich 1,9 Prozent der globalen Nachfrage nach Gold, 2022 waren es bereits 23,3 Prozent. Dieser Trend zurück zu Gold ging nicht von den westlichen großen Zentralbanken aus – sie hatten ja noch mehr als genug Reserven – sondern von den Entwicklungs- und Schwellenländer. Diese erhöhten sukzessive die Goldanteile ihrer Reserven, von 15,3 Prozent im Jahr 2000 auf 31,6 Prozent 2022. Sie sind noch weit von den Industrienationen entfernt, holen aber auf.

Nettokauf der Zentralbanken nach Glapiński 2024.

Russland begann ab 2007, systematisch Gold zu kaufen, und baute bis 2022 Reserven von 1.930 Tonnen auf. Damit gelang es Russland, unabhängiger vom Dollar zu werden, desen Anteil in den Reserven bis 2022 von 43 Prozent (2014) auf 16,4 Prozent sank. Auch China kaufte erhebliche Mengen Gold und besitzt mittlerweile 2.264 Tonnen, was aber weiterhin nur 4,9 Prozent der Reserven der Zentralbank ausmacht. Ferner häuften Indien und die Türkei beachtliche Goldvorräte auf.

Auch Tschechien, Polen und Ungarn kaufen beträchliche Mengen Gold. Das Edelmetall ist offenbar zurück. Die Gründe liegen in einem Wandel der globalen Ordnung sowie des finanzpolitischen Kontextes.

Sicherheit in Zeiten der Unordnung

Die Vision, dass sich die Welt in Demokratie und Kapitalismus vereinen würde, hat sich nicht erfüllt. Russland und China haben sich nicht, wie erhofft, liberalisiert und demokratisiert, Autokratien und Kriege sind wieder auf dem Vormarsch. Glapiński nennt es einen „Trend der Deglobalisierung und Defragmentierung der Weltwirtschaft“, die sich zunehmend in politische und ökonomische Blöcke aufteile – hier der „Westen“, dort die „Brics“ um Russland und China.

In Zeiten einer globalen Unsicherheit steigt das Bedürfnis nach einer sicheren Reserve wie Gold. Denn Gold korreliert nicht mit Aktien und der Konjunktur, sondern erhält Werte auch in der Krise. Zudem gilt Gold traditionell als „Kriegskasse“. Das geht zurück in die Bronzezeit, lange bevor die Griechen die ersten Münzen prägten, bat der assyrische König Aššur-uballiṭ I. den ägyptischen Pharao Amenophis III. um Geld, damit er seine Soldaten bezahlen könne.

In einer Welt der Blockbildung und Defragmentierung scheint eine Konzentration auf Fremdwährungen in Euro oder Dollar zu einseitig zu sein. Im Zuge der Finanzkrise hatte der Dollar zudem an Vertrauen verloren, und dass die US-Regierung zunehmend begann, ihn durch Sanktionen zum Instrument der Politik zu machen – etwa durch Sanktionen gegen die Zentralbanken von Russland, Venezuela und dem Iran – verstärkte das globale Bedürfnis, unabhäniger vom Dollar zu werden. Das einzige solide Instrument, das Zentralbanken dafür derzeit zur Option steht, ist Gold.

Wohin mit der Liquidität?

Allerdings ist das Bedürfnis nach Stabilität in unsicheren Zeiten nur die eine Seite. Die andere erkärt sich aus den eher generellen finanziellen Umständen.

Die Reserven der meisten Notenbanken sind in den letzten 15 Jahre angeschwollen. Häufig ist das eine Strategie, oft ein nicht beabsichtigtes Ergebnis einer starken Exportwirtschaft. Nachdem viele Länder zunächst das naheliegendste Instrument nutzten, um Reserven aufzubauen, wächst ab einer gewissen Höhe das Bedürfnis nach Diversifizierung.

Ein schönes Beispiel ist Japan. Die Notenbank versuchte dort lange, die Inflation anzukurbeln, indem sie die Zinsen senkte. Dies führte dazu, dass sie mehr Yen in Umlauf brachte, die sie als Verbindlichkeit verbucht, denen sie Aktiva entgegenstellt. Die Bilanzsumme der Japanischen Notenbank wuchs enorm. Japan hat mit 1,2 Billionen Dollar eine der größten Reserven der Welt, was, ironischerweise, dazu führt, dass die Märkte dem Yen vertrauen und er nicht wie gewünscht entwertet.

Auch Tschechien und Polen sind in einer ähnlichen Lage. Beide Länder verbuchen Überschüsse im Handel mit der Eurozone, und beide haben mit Zinssenkungen auf die Finanzkrise 2008/2009 reagiert. In der Folge wuchsen die Bilanzsummen der Notenbanken. Es wäre möglich, sie abzubauen, indem sie Zloty oder Kronen mit Fremdwährungen kaufen – also Schulden begleichen – doch dies würde die eigene Währung aufwerten und die Exportwirtschaft gefährden. Also halten sie die Reserven, welche aber, wegen der Niedrigzinspolitik, einen negativen Realizins erwirtschaften: Der Ertrag, den sie einspielen, liegt unter der Inflation.

Reserven der tschechischen Notenbank in Relation zum BIP. Quelle: Adam, Michl, Skoda (2023)

Die Zentralbank Tschechiens erklärt in einem Paper, dass noch 2022 viele Zentralbanken in der Folge der Finanz- und Coronakrise starke Verluste machten und sogar Gefahr liefen, ihre Verbindlichkeiten nicht mehr decken zu können. In Tschechien haben sich die Reserven in Fremdwährungen zwischen 2013 und 2017 sogar verdreifacht. Das Land hat, gemessen am Bruttosozialprodukt, mit 61,5 Prozent eine der höchsten Reserven der Welt. Nur die Schweiz und Hongkong haben mitz 136,6 und 135 Prozent mehr.

Quelle: ebd.

Diese Situation ähnelt frappant derjenigen, in der sich Unternehmen wie MicroStrategy und Semler Scientific befanden, bevor sie begannen, Bitcoin-Reserven anzulegen: Die liquiden Mittel häufen sich, aber man weiß nicht so recht, was man damit anfangen soll, während der Realzins negativ ist. „Uns traf die schmerzhafte Erkenntnis, dass wir auf der Spitze eines 500-Millionen-Dollar-Eisblocks stehen, der dabei ist, zu schmelzen,“ umschrieb MicroStrategy-CEO Michael Saylor die Problematik.

Also versuchen die Zentralbanken, ihre Reserven zu diversifizieren. Die Schweizer Nationalbank konnte dank der riesigen Überschüsse starke Aktienpakete kaufen. Auch die Zentralbank in Tschechien kauft bereits vermehrt Aktien, und die polnische Zentralbank hat 2023 erstmal einen Teil der Fremdwährungsreserven in ETFs angelegt.

Vor allem aber haben Tschechien und Polen parallel beschlossen, ihre Goldbestände auszubauen. Beide kaufen in den letzten Jahren vermehrt Gold und haben sich zum Ziel gesetzt, in absehbarer Zukunft 20 Prozent ihrer Reserven in Gold zu halten. Damit wollen sie nicht nur krisenfester werden, sondern auch, wie die tschechische Zentralbank ausrechnet, ein optimales Verhältnis von hoher Profitabilität und geringer Volatilität erreichen.

Bitcoin gegen Gold

Kommen wir nun dazu, wie sich Bitcoin in all das fügt. Die Reserven der Zentralbanken sind in stetem Wandel – gibt es dabei auch einen Platz für Bitcoin?

Zunächst fällt Bitcoin in dieselbe Kategorie wie Gold: Er korreliert nicht mit Aktien und der Konjunktur (er reagiert allenfalls, wie auch Gold, auf die Zinspolitik). Eine Rückbesinnung auf Gold trägt in sich die Option, dass mutige Zentralbanken neben Gold auch Bitcoin aufnehmen, in einer neuen Art Bimetallismus.

Dabei gibt es einige Unterschiede zwischen Gold und Bitcoin. Bitcoin hat, wie Schaaf und Bindseil erklärt haben, ein paar Nachteile gegenüber dem Edelmetall:

  • Es ist volatiler. Zwar kann auch Gold stark schwanken, doch längst nicht so stark wie Bitcoin. Allerdings hat Bitcoin eine viel stärkere Aufwärtsvolatilität als Gold und kann sich mittelfristig in kräftiger wachsenden Reserven niederschlagen.
  • Die Liquidität: Auch dies kritisieren Schaaf und Bindseil. Da der Markt für Gold etwa acht Mal so groß ist wie der für Bitcoin, könnte etwas dran sein. Allerdings betrug das Handelsvolumen des täglichen Goldmarktes im Juli 2022 etwa 622 Tonnen, was ungefähr 52 Milliarden Dollar entspricht, während das Volumen von Bitcoin in den letzten 24 Stunden 65 Milliarden Dollar erreichte und zu Spitzenzeiten auch mal über 100 Milliarden lag. Auch wenn Volumen und Liquidität nicht gleichzusetzen sind, überzeugt dieser Nachteil kaum.
  • Die Tradition. Gold gilt seit Jahrtausenden als Wertspeicher schlechthin. Schon die alten Ägypter schätzten Gold, das Orakel von Delphi verlangte viel Gold für seine begehrten Prophezeiungen, und die katholische Kirche kleistere ihre Kirchendecken und Altare mit Gold aus. Bitcoin dagegen existiert seit nun 16 Jahren und kann unmöglich diese traditionelle Sicherheit vermitteln.

Andererseits hat Bitcoin auch einige Vorteile gegenüber Gold:

  • Die Knappheit ist mit 21 Millionen Coins klar definiert, während die von Gold von der Endlichkeit der Vorkommen abhängt. Es wäre denkbar, dass es in Zukunft rentabel wird, unter den antarktischen Eisdecken, den ozeanischen Meeresböden oder gar auf Asteroiden Gold abzubauen. Sollte es einmal Energie im Überfluss geben, wäre auch die Transmutation von Blei zu Gold denkbar.
  • Souverän und liquide: Während sich Zentralbanken bei Gold entscheiden müssen, ob sie unabhängig von Sanktionen sind und das Geld selbst verwahren ODER es auf Börsen liquide halten, um es rasch zu verkaufen, sind Bitcoins in wenigen Minuten von der eigenen Wallet auf eine Börse gesendet. Bitcoin verbindet beides.
  • Einfaches Speichern und Übertragen: Während physisches Gold sehr schwer und unhandlich ist, kann man Bitcoins auf einem Zettel oder ein paar Festplatten hochsicher speichern. Mit Multisig-Verfahren lässt sich sogar ein Grad an Sicherheit erreichen, der bei Gold undenkbar ist. Auch das Übertragen von Bitcoin ist viel einfacher und auch sicherer (etwa vor Überfällen), was sogar die Aussicht offen lässt, es einmal als Zahlungsmittel zu verwenden.
  • Programmierbarkeit und Erträge: Multisig ist nur ein Beispiel für die Programmierbarkeit von Bitcoin. Es gibt noch einige weitere Beispiele, etwa Zeitschlösser. In Aussicht stehen auch Vaults und mehr. Die Besitzer von Bitcoin können bereits heute über einen Lightning-Node mit ihren Coins Erträge erwirtschaften, über DeFi-Modelle ist auch eine Art des Liquiditätsminings und Verleihens möglich. In Aussicht stehen auch Sidechains und Rollups, die es erlauben würden, dabei auch die volle Kontrolle über Bitcoins zu behalten.
  • Es ist möglich, Bitcoins aus Strom zu erschaffen. Ein Land, das einen Überschuss an Strom hat, aber keine Goldminen, kann sich eine Bitcoin-Reserve selbst schaffen, anstatt sie am Markt zu kaufen.

Es gibt also Gründe für und gegen Bitcoin. Inwieweit diese für Zentralbanken eine Rolle spielen könnten, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Über diese spekulieren wir im folgenden ein wenig.

Die Zentralbanken und Bitcoin

Die EZB

Für die Europäische Zentralbank ist Bitcoin tatsächlich nicht sehr interessant. Hier haben Schaaf und Bindseil einen Punkt. Die Nationalbanken der Eurozone halten mehr als 10.000 Tonnen Gold, womit die EZB besser als jede andere Zentralbank auf Krise und Krieg vorbereitet ist. Wenn sich der globale Trend zur „Diversifizierung“ der Reserven fortsetzt, also hin zum Gold, wird dies über den Goldpreis aufs Konto der EZB einzahlen und ihre monetäre Handlungsfähigkeit erhöhen.

Da die Länder der Eurozone einen stabilen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaften, besteht ohnehin wenig Anlass für Interventionen, während die Reserven sukzessive zunehmen. Damit hat die EZB massenhaft Munition, um, wenn nötig, auch eine experimentelle Währungspolitik zu fahren. Sie kann die Euro-Liquidität nach Belieben ausbauen, ohne sich sorgen zu müssen, die Inflation nicht in den Griff zu bekommen.

Wenn überhaupt, dann könnte sich die EZB präventiv und aus einer Position der Stärke heraus auf Bitcoin einlassen: Um vorbereitet zu sein, wenn andere Zentralbanken eine Reserve anlegen. Angesichst der stabilen Stellung dürften kleine Anteile in Bitcoin – sagen wir, 1-2 Prozent – selbst dann keine Unruhe ins Spiel bringen, wenn die Kurse extrem schwanken.

Die Federal Reserve

In einer vergleichbaren Lage ist die US-amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed). Mit Goldreserven von 8.500 Tonnen kann auch sie einer „Dedollarisierung“ der Zentralbank-Reserven gelassen entgegenblicken und ist gut auf Krisen und Kriege vorbereitet. Ihr Produkt, der Dollar, ist zudem die Weltwährung und das Maß aller Dinge. Die vielen Ankündigungen der BRICS-Staaten, vom Dollar weg zu kommen, haben daran bisher genau gar nichts geändert. Dies erlaubt es der Fed, die Kosten ihrer Zinspolitik auf die ganze Welt zu kollektivieren, was ihr einen einzigartigen Handlungsspielraum gibt.

Wie die EZB kann die Fed aus einer Position der Stärke Bitcoin in ihre Reserven aufnehmen. Anders als die EZB könnte sie damit aber nicht nur passive, präventive Ziele verfolgen, sondern auch aktive, offensive: Sie könnte Bitcoin zur Basis eines digitalen Dollars machen. Schon heute haben algorithmische Stablecoins die Dollar-Geldschöpfung auf Basis von Krypto-Währungen dezentralisiert. Die Fed könnte diese Prozess forcieren und ordnen, etwa durch ein Franchise-artiges Modell. Die Transparenz der Blockchain gewährleistet, dass es nicht zu einer Widerholung der Krise des „Wildcat Bankings“ kommt.

Die Fed ist in der einzigartigen Lage, dass sie Bitcoin nutzen könnte, um den Status des Dollars als Weltwährung weiter auszubauen. Dies würde der USA erlauben, ihre Sanktionen noch besser durchzusetzen als bisher. Dank der starken Mining-Branche könnte sie die Bitcoins sogar noch selbst erzeugen, anstatt sie zu kaufen.

Die Bank Rossii

Die Zentralbank der Russische Föderation, die Bank Rossii, ist in einer speziellen Situation. Für sie könnte, so ungern ich es schreibe, Bitcoin interessanter sein als für jede andere Zentralbank. Die Bank Rossii besitzt Reserven von etwa 600 Milliarden Dollar, von denen Anfang 2022 gut 20 Prozent in Gold, etwa 17 Prozent in Renminbi und mehr als 50 Prozent in westlichen Fremdwährungen waren, überwiegend in Euro.

Die Reserven der russischen Zentralbank vor dem dummen Angriff auf die Ukraine. Quelle: Statista

Im Zuge von Russlands Krieg gegen die Ukraine haben die G7-Länder ungefähr 300 Milliarden Dollar – also die Hälfte der Reserve – eingefroren, während die USA die Zentralbank sanktioniert hat. Das in Russland gelagerte Gold ist zwar eine sanktionssichere Kriegskasse, doch es fehlt ihm an Liquidit. Diese kann die Bank Rossii fast nur durch Fremdwährungen in Renminbi gewährleisten. Bitcoin könnte aus dieser drückenden Abhängigkeit helfen, da es so sanktionssicher wie Gold, aber so liquide wie eine Fremdwährung ist. Zudem könnte Bitcoin gegebenenfalls den Außenhandel mit Liquidität versorgen.

Die Diversifizierung durch Gold hat für Russland einen weiteren Nachteil. Die Nato-Staaten halten etwa zehn Mal so viel Gold wie die Bank Rossii. Wenn diese ihre Goldreserven also weiter ausbaut, wird dies direkt auf die Konten der wahrgenommenen Feinde einzahlen – und deren Kriegskasse und monetäre Handlungsfähigkeit stärken. Mit Bitcoin könne Russland dieser Zwickmühle entgehen.

Ferner muss Russland dank seiner reichen Energierohstoffe Bitcoins nicht kaufen, sondern kann sie selbst schürfen.

Die osteuropäischen Zentralbanken

Die Zentralbanken aufstrebender osteuropäischer Nationen, etwa Polen, Tschechien, Ungarn oder Bulgarien, verfügen über große Reserven in Relation zum BIP. Sie sind bereits im Begriff, diese zu diversifizieren, überwiegend in Gold, aber auch in ertragreichere Fremdwährungs-Positionen wie Aktien oder ETFs. Diese Strategie ist wichtig und notwendig, und Bitcoin dürfte in ihr zunächst keine Rolle spielen.

Dennoch möchte der Governeur der tschechischen Notenbank, Aleé Michl, eine Bitcoin-Position aufbauen, kann sich aber bisher nicht durchsetzen. Es gibt einige Gründe, warum dies attraktiv sein kann: Auf der einen Seite sind Polen und Tschechien selbst mit der angestrebten Quote von 20 Prozent Gold noch weit von den etwa 70 Prozent der großen Goldländer USA, Deutschland, Frankreich, Italien entfernt. Es dürfte schwer bis unmöglich werden, sich dieser Quote über reguläre Käufe anzunähern. Wenn sie dagegen als Early Adopter in Bitcoin einsteigen, könnten sie dank des steigenden Preises ihre Quote harter, nicht mit Aktienmärkten korrelierender Reserven, rascher erhöhen.

Darüber hinaus zahlen Goldkäufe indirekt auf die Konten von Russland ein, und sollten die EU und die USA beginnen, ihre immensen Goldvorräte in einem Konflikt mit Russland zu „weaponisieren“, also als Waffe in einem Währungskrieg einzusetzen, etwa, um den Wert der russischen Reserven anzugreifen, könnte es zu erheblichen Marktturbulenzen kommen. Eine Art „bimetallische“ Reserve mit Gold und Bitcoin könnte in solchen Situation stabiler sein.

Schwellen- und Entwicklungsländer

Als vorletztes geht es um Motive für Schwellen- und Entwicklungsländer. Der IWF bewertet deren Kreditwürdigkeit auch nach der Reserve, welche in verschiedenen Formeln in Relation zu den Importen und zum BIP gesetzt wird. Daher streben diese Länder an, ihre Reserven auszubauen, um wachsen zu können und kreditwürdig zu bleiben.

Bitcoin kann hier eine Abkürzung sein, um als „Early Adopter“ die Reserve beschleunigt auszubauen. El Salvador gelang es etwa, seine Kredit-Ratings zu verbessern, wofür die Bitcoin-Reserve des Landes sicherlich hilfreich war. Gerade Länder, die über große Strom-Überschüsse verfügen, haben große Chancen, günstig starke Bitcoin-Reserven aufzubauen. Bhutan macht dies bereits, Äthiopien plant es womöglich schon. Für Paraguay wäre es denkbar, eventuell auch für Indonesien oder Kenia.

Viele Schwellenländer stehen bereits in der Situation, durch eine starke Exportwirtschaft große Devisen aufgebaut zu haben. Sie wollen nun das starke Dollar-Übergewicht abbauen. Die naheliegende Option, Gold, hat den Nachteil, dass es bei einer globalen Nachfrage zu Liquiditätsengpässen kommen könnte. Zudem werden die Goldkäufe der Schwellenländer die Reserven der großen Industrienationen nur weiter aufblähen, wodurch es unmöglich ist, aufzuholen. Dies könnte auch ein Motiv sein, Bitcoin in Betracht zu ziehen.

Die PBOC

Die Chinesische Zentralbank, die People’s Bank of China (PBOC), steht vor einem faszinierenden Dilemma. Dank der Jahrzehnte der Exportüberschüsse hat die PBOC eine wahre Flut an Devisen – vor allem Dollar – gespeichert. Die PBOC hält nach offiziellen Angaben 1,9 Billionen Dollar-Posten, Schätzungen zufolge kommen dazu noch etwa 3 Billionen in Schattenreserven, die in staatlichen Geschäftsbanken verborgen sind. Nur ein kleiner Anteil der Reserven, knapp fünf Prozent, sind in Gold.

Die PBOC hat diese massiven Reserven eher als Nebeneffekt der starken Exportwirtschaft angehäuft. Würde sie die Dollar verkaufen – und damit die eigene Bilanzsumme verringern – würde dies den Renmimbi gegen den Dollar aufwerten. Für die exportabhängige Volkswirtschaft wäre dies eine Katastrophe. Also kann die PBOC nur weiter und weiter Dollar akumulieren, und jeder Versuch, diese gigantischen Reserven gegen die USA einzusetzen, würde nur China selbst treffen.

Wenn die PBOC Teile der Dollar-Reserven in Gold umschichtet – um, sagen wir, die von Tschechien und Polen angepeilten 20 Prozent zu erreichen – müsste es seinen Bestand von derzeit 2.265 Tonnen vervierfachen. Falls der Goldmarkt dafür überhaupt liquide genug ist, würde dies Konsequenzen für die Preise haben. China würde knapp 600 Milliarden Dollar verkaufen – was den Dollar vermutlich abwerten und den Renminbi aufwerten würde – und den Dollarpreis explodieren lassen. China würde seine Exportwirtschaft massiv demolieren, während die USA mehr als genügend Reserven hätte, um den Wechselkurs bei Bedarf anzupassen.

Mit den traditionellen Reserveinstrumenten steht die PBOC vor der Wahl zwischen schlimm und schlimmer. Bitcoin könnte hier durchaus eine strategisch sinnvolle Alternative sein.

Soweit …

Damit wären wir am Ende unseres langen Marsches durch die Zentralbanken und ihrer Reserven angelangt. Es gäbe für die eine oder andere Zentralbank Motive, sich auf Bitcoin einzulassen, und vereinzelt scheinen Zentralbanken dies auch zu erkennen. Ob dies allerdings zu einer echten Massenbewegung kommt, ist natürlich vollkommen ungewiss. Es wäre aber besser denkbar und auch sinnvoller, als die EZB-Banker Schaaf und Bindseil, mit denen wir begonnen haben, eingestehen.

Ich persönlich habe beim Schreiben dieses Artikels weniger über eine Strategische Bitcoin-Reserve gelernt als über Zentralbanken und deren Reserven. Ich hoffe, denjenigen unter euch, die es bis hierhin geschafft haben, geht es ebenso.

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