Interview: Oliver Bierhoff: „Viele Profisportler investieren zu vorsichtig“

Ex-Nationalspieler Oliver Bierhoff berät heute Profisportler bei der Finanzplanung. Ihr häufigster Fehler? Viele tun gar nichts – aus Angst, etwas falsch zu machen

Jan 17, 2025 - 10:07
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Interview: Oliver Bierhoff: „Viele Profisportler investieren zu vorsichtig“

Ex-Nationalspieler Oliver Bierhoff berät heute Profisportler bei der Finanzplanung. Ihr häufigster Fehler? Viele tun gar nichts – aus Angst, etwas falsch zu machen

Capital: Herr Bierhoff, Sie beraten seit Neuestem Fußballer und andere Sportler in Vermögensfragen. Was ist Ihr Eindruck: Wie sind die beim Thema Geld aufgestellt?
OLIVER BIERHOFF: Ich muss ehrlich sagen: wahrscheinlich besser als ihr Ruf.

Der Ruf – der lautet in etwa so: Viel Geld trifft auf wenig Ahnung und hohe Risikoneigung. Sie sagen, das stimmt nicht?
Nein, wenn es die Zeit überhaupt jemals gab, dann ist sie vorbei. Ich glaube, Social Media und das Internet haben da tatsächlich mal geholfen. Die Spieler bekommen viel mehr mit als früher, auch was das Thema Finanzen angeht. Vor allem diejenigen, die seit vielen Jahren dabei sind und mehrere große Verträge unterschrieben haben, beschäftigen sich mittlerweile stark mit ihren eigenen Finanzen. Sie würden sich wundern.

Wie sieht denn ein typisches Spielerportfolio aus?
Das gibt es nicht. Das ist wie im normalen Leben – jeder geht einen anderen Weg. Bei manchen erfolgreichen Managern wundert man sich allerdings, wie schlecht sie teilweise privat investieren. Grundsätzlich stelle ich aber fest, dass die meisten Sportler sehr vorsichtig agieren – oft zu vorsichtig.

Tatsächlich? Es heißt doch immer, dass risikofreudige Menschen auch mehr Risiko bei der Geldanlage gehen.
Das beobachte ich bei Sportlern nicht – im Gegenteil. Viele machen eher gar nichts, bevor sie etwas falsch machen. Oder gehen eben in ganz klassische Assets wie Immobilien. Je nachdem, in was – oder noch eher: in wen sie das größte Vertrauen haben.

Woher kommt das?
Durch die Berater, die den Spielern ständig einbläuen, dass an jeder Ecke falsche Freunde warten.

Ist das falsch?
Na ja, ich kann diese Linie schon nachvollziehen. Auch wenn das Ergebnis davon sicher nicht besser ist am langen Ende.

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Von wem lassen sich die Spieler denn dann in finanziellen Fragen beraten, wenn sie so vorsichtig sind?
Ganz unterschiedlich, aber am Ende läuft alles im Punkt Vertrauen zusammen. Meistens sind es Familienmitglieder. Der Vater, der früher bei der Sparkasse war, oder langjährige Freunde – Banker, von denen sie glauben, dass sie schon alles ordentlich anlegen.

Und wer kommt dann zu Ihrem Family-Office Finvia: Profis, die schon eine gewisse Vorerfahrung haben, die Ahnungslosen oder die Getäuschten?
Das lässt sich nicht verallgemeinern. Die meisten mögen unser Konzept: 360-Grad-Beratung, die unabhängig ist. Wir bekommen ein Honorar für unsere Beratung, aber keine Provisionen für Vermittlungen. Das schafft Vertrauen in einer eher vorsichtigen Zielgruppe.

Was sind denn die häufigsten Fehler, die Sie dann in Sportlerportfolios sehen?
Von Fehlern würde ich nicht sprechen. Wir entwickeln in den ersten Gesprächen eine gemeinsame Strategie und schauen gar nicht zu sehr zurück. Und: Diese Strategie setzen wir dann auch diszipliniert über einen langen Zeitraum transparent um. Die Strategie ist gerade dann wichtig, wenn der Spieler noch aktiv ist und einen hohen Cashflow hat. Viele investieren ohne Strategie – wenn man das einen Fehler nennen will. Aber ich muss ehrlich sagen: Selbst mir ist es damals als Spieler schwergefallen dranzubleiben – obwohl ich BWL studiert und mich immer für Finanzen interessiert habe. Auch deshalb hat mich der Job gereizt.

Wie würden Sie denn nun das Portfolio eines Spielers aufstellen?
Das ist höchst individuell und in den Details natürlich geheim. Es gibt aber einige Leitplanken.

Zum Beispiel?
Wir unterscheiden zwei Abschnitte. In der aktiven Karriere verdienen die Spieler ja noch, da fließen in der Regel hohe, aber zeitlich begrenzte Einkünfte. Die Geldanlage kann in der Zeit darum auch risikoreicher aufgestellt sein, um langfristig höhere Renditen zu erzielen. Nach der Karriere sollte der Fokus dann aber stärker auf einer ausgewogenen Strategie liegen, die stabile Cashflows und Vermögenserhalt liefert.

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Wie setzen Sie das um?
Wir gewichten vor allem die Anlageklassen unterschiedlich. In der aktiven Laufbahn stehen Aktien im Vordergrund, dahinter folgen Private Equity und Private Debt. Immobilien, Gold und Renten spielen in dieser Phase eine kleinere Rolle. Wenn nach der Karriere das aktive Einkommen endet, wird der Fokus defensiver und wandert stärker auf stabile, wiederkehrende Erträgen: Aktien sind immer noch wichtig, aber Immobilien und Renten rücken deutlich nach vorne – während Private Equity gleichzeitig deutlich nach hinten rückt.

Wie war das eigentlich zu Ihrer Zeit als aktiver Spieler: Waren Investments ein Thema in der Kabine?
Nein, ich habe jedenfalls nicht viele Momente erlebt, wo ein Mitspieler mal meinte: „Übrigens, ich habe hier- oder dareininvestiert.“ Es war schon so, dass wir über die großen Trends geredet haben. Der Neue Markt Anfang der 2000er zum Beispiel, da waren Aktien dann auch mal Kabinenthema. Aber sonst eher nicht. Das ist auch jetzt kein Kabinenthema, aber wir sind trotzdem weiter.

Woran machen Sie das fest? 
Ich habe den Nationalspielern zum Beispiel mal vor zehn Jahren zwei Fragen gestellt.

Und zwar?
Wie ist dein Vermögen aufgebaut? Und welche Gesamtperformance hast du?

Was war das Ergebnis?
Eigentlich konnte mir niemand eine Antwort geben. Man muss als Sportler nicht in jedem Detail stecken, aber ein Gefühl, wo das Geld steckt, sollte man schon haben. Das ist jetzt anders, und darauf habe ich in meiner Zeit beim DFB stark hingewirkt, ohne dass ich jetzt irgendwelche Anlagetipps gegeben hätte.

Das scheint bei einigen DFB-Spielern definitiv gewirkt zu haben. Mario Götze, Julian Draxler, Manuel Neuer, David Raum und Joshua Kimmich sind mittlerweile bekannte Start-up-Investoren. Generell scheint es ein breiteres Interesse von Sportlern für Start-ups zu geben. Oder täuscht das?
Ich sehe diese Beispiele auch, aber weiß nicht, ob sich daraus ein Trend für 500 Bundesligaspieler ableiten lässt. Für mich wäre der Trend aber trotzdem naheliegend.

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Warum?
Man ist als Sportler relativ leicht unternehmerisch tätig. Von den wirklich guten Start-ups kriegen sie zwar keine großen Tickets, können aber schon mit ihrer Reichweite helfen. Es ist also leicht, an einem coolen Produkt mitzuarbeiten und es zu gestalten. Außerdem schauen viele europäische Profis US-Sport. LeBron James und Kevin Durant haben es dort geschafft, eine eigene Marke rund um ihre Investments aufzubauen. Das macht auch Eindruck bei europäischen Sportlern, die sich davon etwas abschauen.

Sie haben immer stark in die USA geschaut und sind inzwischen auch Berater des NFL-Teams New England Patriots. Spielergehälter sind in den USA ja öffentlich. Wie ist Ihr Eindruck: Wird dort dann auch offener über Investments in den Kabinen gesprochen?
Ja, zu 100 Prozent. Wenn dort ein neuer Spieler in die Kabine kommt, wird er erst einmal nach seinem Vertrag gefragt – und wenn er an erster Stelle gedraftet wurde und 30 Millionen verdient, feiert ihn das gesamte Team dafür. Das ist in der Bundesliga ganz anders, da redet man nicht über Verträge. Das Thema Geld ist eher unangenehm.

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Kann die Bundesliga in diesem Punkt etwas von der NFL und den USA lernen – oder wird es dort übertrieben?
Wenn es um das Netzwerken geht, gibt es viel zu lernen von den USA. Außerdem finde ich gut, wie dort mit Niederlagen bei Investments umgegangen wird. Man hat dann eben an ein Investment geglaubt, und wenn es in die Hose geht, ist man kein Verlierer, sondern schlauer als vorher. Ich warne aber gleichzeitig, denn der US-Sportmarkt ist stark davon gekennzeichnet, wie viele Spieler relativ schnell nach der Karriere pleite sind.

Woran liegt das?
Man kann das gut oder schlecht finden, aber das ist die lockere Herangehensweise vieler Amerikaner in puncto Geld. Hat ein Spieler in einem Jahr viel Geld, wohnt er in einem großen Haus. Ist er im nächsten Jahr nicht mehr so erfolgreich, zieht er in ein kleineres Haus. Beides ist okay. In Europa ist man da deutlich solider.

Man sagt, dass die USA den Europäern nur um einige Jahre voraus sind. Was wird bei Sportlerinvestments noch nach Europa herüberschwappen?
Ich glaube, das Thema Sportler als Unternehmer wird auch hierzulande größer werden: Spieler, die intelligent und interessiert sind, die ein gutes Netzwerk haben und die nicht nur Investoren sind, sondern sich auch unternehmerisch einbringen. Davon gibt es ja jetzt schon einige Beispiele.

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