Die braunen Wurzeln der FPÖ

Die rechtsextreme AfD eifert der FPÖ nach, da diese bereits politisch etabliert ist. Doch deren Wurzeln liegen direkt im österreichischen Nationalsozialismus. Aufgearbeitet wurde das nie wirklich - im Gegenteil. Weiterlesen Die braunen Wurzeln der FPÖ The post Die braunen Wurzeln der FPÖ appeared first on Volksverpetzer.

Jan 23, 2025 - 12:37
 0
Die braunen Wurzeln der FPÖ

In Deutschland versucht die rechtsextreme AfD immer wieder verzweifelt, jede ideologische Nähe zu den Nationalsozialisten um Hitler von sich zu weisen. So kommen dann auch Geschichtsverdrehungen wie neulich bei Elon Musk zustande, als die Parteichefin der Rechtsextremen Hitler als „Kommunisten“ bezeichnete. Gleichzeitig schielt die deutsche extreme Rechte immer wieder neidisch auf Österreich. Dort hat die FPÖ bereits die politische „Normalisierung“ geschafft. Bittere Ironie: Die FPÖ wiederum hat sehr direkte Kontinuitäten zu genau den Nazis, von denen sich Weidel und Co. so verzweifelt zu distanzieren versuchen.

Denn Ja: Die alten Nazis sind tot. Doch ihre Enkel besetzen heute wesentliche Positionen in der FPÖ. Und wer die FPÖ verstehen will, muss sich mit der braunen Vergangenheit der Partei beschäftigen.

Von der „Mordmaschine“ zum FPÖ-Vorsitz

In der Küche der Familie Haider kommt irgendwann im Jahr 1955 eine Gruppe von äußerst einschlägigen Personen zusammen. So zumindest wird es später Dorothea Haider berichten, die Mutter des langjährigen FPÖ-Chefs Jörg Haider. In ihrer Autobiografie „Mein Sohn Jörg“ beschreibt sie die folgenreiche Besprechung.

Anwesend sind bei der Besprechung neben der strammen Nationalsozialistin Dorothea Haider auch ihr Mann Robert, er war ab 1938 „Gaujugendwalter“ der Nazis in Oberösterreich. Ein weiterer Teilnehmer der Runde: Friedrich Peter, er war noch wenige Jahre zuvor SS-Offizier in der berüchtigten 1. SS-Infanterie-Brigade gewesen. Seine Einheit ist für zahlreiche Massaker in der heutigen Ukraine verantwortlich. Peter wird später Vorsitzender der FPÖ.

Als „eine reine Mordmaschinerie“ bezeichnet der Zeithistoriker Oliver Rathkolb diese SS-Brigade, die im Sommer 1941 „17.000 Juden und Jüdinnen – Frauen, Männer, Kinder – ermordete und später noch 25.000 sowjetische Kriegsgefangene umbrachte“. Offensichtlich kein Problem für die FPÖ: Sie macht Peter ab 1958 für zwei Jahrzehnte zum Parteichef, sogar noch bis 1986 bleibt er Klubobmann der FPÖ-Fraktion im Parlament. Innerhalb der FPÖ wird der Offizier der SS-Mordbrigade später übrigens als „Liberaler“ gelten.

Und schließlich sitzt auch noch eine graue Nazi-Eminenz am Küchentisch in Bad Goisern, als die FPÖ gegründet wird.

Erster FPÖ-Vorsitzender: ein SS-General

Es ist der frühere SS-Brigadegeneral Anton Reinthaller. Der Oberösterreicher war als Unterstaatssekretär in Berlin auch Mitarbeiter der deutschen Reichsregierung in Berlin – und damit der formell nach Adolf Hitler wohl höchstrangige österreichische Nazi.

Gegründet wurde die FPÖ also an einem Küchentisch in Oberösterreich – von hochrangigen Nazi-Führern. Die alten Nazis sind inzwischen tot. Doch ihre Kinder und Enkel besetzen bis heute wesentliche Positionen in der FPÖ. Für diesen Artikel werde ich vor allem die frühe Geschichte der Freiheitlichen für euch ausleuchten. Sie ist heute wenig bekannt. Doch wer die FPÖ wirklich verstehen will, muss sich mit der braunen Vergangenheit der Blauen beschäftigen.

Antisemitische Kontinuitäten nach 1945

Vor dem Zweiten Weltkrieg war Reinthaller noch der erste Vorsitzende der antisemitischen Landbund-Partei gewesen. Doch bald wechselt der deutschnationale Verbindungsstudent (Akademische Landsmannschaft der Salzburger zu Wien) zur erfolgreicheren NSDAP – so wie die meisten Landbündler und „Großdeutschen“.

Die Zeithistorikerin Margit Reiter schreibt 2018 in einem Beitrag über die frühe FPÖ, Reinthaller sei auch nach 1945 „ein hochrangiger und ideologisch überzeugter Nationalsozialist, der die Partei bis zu seinem Tod im März 1958 prägte“ gewesen.

Eine österreichische Karriere

Exemplarisch für diese Kontinuitäten steht neben Reinthaller auch Emil van Tongel. Er spielt im Gründungsprozess der FPÖ ebenfalls eine zentrale Rolle – das freiheitliche Bildungsinstitut hebt ihn gar als einen der „Mitbegründer“ der Partei hervor. Van Tongel war Wiener Obmann der „Großdeutschen Volkspartei“ gewesen, bevor er 1932 zur NSDAP übertritt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird er zuerst Abgeordneter zum Nationalrat – und ab 1964 sogar Klubobmann der FPÖ im Parlament. Reinthaller und van Tongel stehen damit auch stellvertretend für die Geschichte des deutschnationalen Lagers in Österreich.

Die wichtigsten Parteien des Milieus, Großdeutsche und Landbund, gehen im Lauf der 1930er Jahre in den Nazis auf. Es ist auch ein guter Hinweis für all jene, die meinen, dass die Nazis in Österreich 1938 irgendwie vom Himmel gefallen wären. Nach 1945 wechseln diese Nazis dann teils zur FPÖ, teils zur ÖVP. Mehr über die Nazi-Wurzeln der konservativen ÖVP habe ich hier für euch aufgeschrieben.

FPÖ verehrt bis heute den Nazi-„Vorkämpfer für Großdeutschland“

Und dann ist da auch noch der Nazi und rabiate Antisemit Franz Dinghofer. Der „Großdeutsche“ war vor dem Zweiten Weltkrieg einer der einflussreichsten Politiker Österreichs gewesen: Zeitweise war er sogar Vizekanzler einer Koalitionsregierung mit den konservativen Christlichsozialen, also der heutigen ÖVP (so schließen sich die Kreise!).

Politisiert wurde Dinghofer in der antisemitischen Grazer Burschenschaft „Oberösterreicher und Salzburger Studenten“, sie wird sich später in „Ostmark Graz“ umbenennen. Die Grazer Verbindung ist Mitglied im „Waidhofener Verband“. Und der hatte bereits 1896 bei einer Versammlung in Wien den Arierparagrafen beschlossen.

Auch Dinghofer tritt der NSDAP bei, das Nazi-Parteiorgan „Völkischer Beobachter“ lobt den Burschenschafter im Mai 1938 gar offiziell als einen „Vorkämpfer für Großdeutschland“. Und auch Dinghofer schließt sich nach 1945 dem VdU an, er stirbt kurz vor der Gründung der FPÖ. Für die FPÖ ist auch diese Biografie überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil!

Bis heute heißt die wichtigste parteinahe Bildungseinrichtung der Partei „Dinghofer-Institut“ (DI). Bei den jährlichen Symposien dieses Instituts vergeben dann führende Parteigranden sogar eine eigene „Dinghofer-Medaille“. Diese Symposien fanden in den vergangenen Jahren sogar direkt im österreichischen Parlament statt. Alles über Dinghofer und das FPÖ-nahe DI habe ich hier für euch aufgeschrieben.

Der Kriegsverbrecher als Sekretär

Doch bleiben wir noch kurz bei SS-Brigadegeneral Reinthaller! Dessen Sekretär in der frühen NSDAP war dann ebenfalls ein Oberösterreicher. Und es ist kein Unbekannter: Ernst Kaltenbrunner, später wird er als Chef des Reichssicherheitshauptamtes einer der berüchtigtsten Täter des NS-Regimes überhaupt.

Kaltenbrunner ging in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz übrigens in die gleiche Schule wie Adolf Eichmann und Adolf Hitler. Hier habe ich diese Geschichte aufgeschrieben. Kaltenbrunner wird nach dem Zweiten Weltkrieg im Nürnberger Prozess schuldig gesprochen und 1946 hingerichtet. Reinthaller dagegen kommt davon, obwohl sein Name eigentlich auch auf der Kriegsverbrecherliste steht.

Verklärung durch FPÖ-Historiker: „Ein junger, idealistischer Nationalsozialist“

Reinthaller wird zwar Ende 1945 verhaftet und ist ein knappes Jahre im US-Lager Glasenbach in Salzburg interniert, danach in Nürnberg. Und er wird auch zu einer „mehrjährigen Kerkerstrafe und Vermögensverfall“ verurteilt. Das muss sogar FPÖ-Parteihistoriker Andreas Mölzer in einem Jubelvideo auf YouTube zur Parteigeschichte eingestehen, das 2020 veröffentlicht wird.

Doch kurz nach seiner Verurteilung wird Reinthaller vom sozialdemokratischen Bundespräsident Theodor Körner begnadigt. Das findet offenbar Unterstützung bei FPÖ-Mann Mölzer. Sogar die Gerichte hätten doch erkannt, so Mölzer, dass der SS-General Reinthaller nur „ein junger, idealistischer Nationalsozialist“ gewesen sei.

Das Nazi-Gefängnis Glasenbach als Keimzelle der FPÖ

Das Nazi-Gefängnis Glasenbach, wo auch Reinthaller einsitzt, ist dabei so etwas wie der tatsächliche Gründungsort der FPÖ. Interniert sind dort neben den späteren FPÖ-Chefs Reinthaller und Peter unter anderem auch Stefan Schachermeyer, ehemals NS-Gauinspektor in Oberösterreich. Oder Hermann Foppa, ein enger Freund der Familie Haider. Er war NS-Reichsratsmitglied und NS-Schulinspektor in Oberösterreich, 1950 wird er der Taufpate des späteren FPÖ-Chefs Haider.

Und auch viele andere führende Nazis kommen bei der FPÖ unter. Etwa Klaus Mahnert. Im NS-Regime stieg der SS-Obersturmbannführer und „Blutorden“-Träger zum Gauinspektor für Tirol und Vorarlberg auf. Für die FPÖ kein Problem: Die macht ihn (trotz Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen seiner Nazi-Aktivitäten) zum Landesparteiobmann der Tiroler FPÖ, zum Geschäftsführer der Parteizeitung „Neue Front“, zum Leiter der Programmkommission. Ab 1959 schickt die FPÖ den früheren Nazi-Führer auch als Abgeordneten ins österreichische Parlament.

Oder Otto Scrinzi, einer der wichtigsten Gründer von VdU und FPÖ. Der Tiroler Verbindungsstudent und SA-Sturmführer war im NS-Regime Assistent am „Institut für Erb- und Rassenbiologie“ der Universität Innsbruck gewesen. Das Institut war Teil der mörderischen NS-Euthanasie-Programme. Nach dem Zweiten Weltkrieg steigt Scrinzi schnell zum Kärntner VdU-Chef auf. Dort sogar der VdU ist ihm noch zu wenig rechts, er zieht sich zurück. Bei der FPÖ klappt es schließlich.

Ab 1966 wird Scrinzi Nationalratsabgeordneter und steigt sogar zum stellvertretenden Parteivorsitzenden auf. Doch auch die FPÖ verlässt der Tiroler dann für einige Jahre – und gründet eine noch rechtere Abspaltung. (Alles über die zahllosen Abspaltungen der FPÖ habe ich hier aufgeschrieben.) Später kehrt er allerdings zurück in den Schoß der Partei.

„Schon in der NSDAP rechts“

Sein politisches Credo erklärte Scrinzi einmal so: „Ich war schon immer rechts, auch innerhalb der NSDAP.“ Als er schließlich 2012 stirbt, lobt der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ihn mit den Worten: Scrinzi wäre ein „freiheitliches Urgestein“ gewesen, das „die Werte unserer Gesinnungsgemeinschaft immer gelebt hat“. 

Und die Liste der Nazi-Kader in der FPÖ könnte noch sehr, sehr lange fortgesetzt werden. Es spricht also sehr viel dafür, die FPÖ als Nachfolgeorganisation der NSDAP zu bezeichnen. Ein äußerst zynischer Widerspruch zu dieser These wird 1985 allerdings von Jörg Haider kommen, der im Jahr darauf FPÖ-Chef wird. Haider behauptet: „Die FPÖ ist keine Nachfolgeorganisation der NSDAP. Denn wäre sie dies, dann hätte sie die absolute Mehrheit.“

VdU: FPÖ-Vorläufer und Sammelbecken wichtiger Nazi-Kader

Als Vorläufer der FPÖ wird bereits 1949 der VdU gegründet, der „Verband der Unabhängigen“. Diese Partei ist von Anfang an ein Sammelbecken wichtiger Nazi-Kader mit einigen angeblich liberalen Feigenblättern. Als eines der wichtigsten dieser Feigenblätter wird immer wieder Herbert Kraus genannt, der erste Obmann des VdU.

Doch auch Kraus war im Zweiten Weltkrieg Offizier des Nazi-Heeresgeheimdienstes in der Ukraine und bildete Truppen zur „Partisanenbekämpfung“ aus. So beschreibt es der 2019 erschienene Bericht der Historiker-Kommission der FPÖ. Was wirklich im Historiker-Bericht der FPÖ steht und was dort alles fehlt, habe ich hier für euch aufgeschrieben. Als antifaschistisches Feigenblatt ist Kraus also wohl eher wenig zu gebrauchen.

Der große Unterschied zur AfD

Erstmals tritt der VdU dann 1949 zur Nationalratswahl an und erhält aus dem Stand 11,7 % der Stimmen. Bei der ersten Wahl im November 1945 waren rund 800.000 ehemalige NSDAP-Mitglieder noch nicht wahlberechtigt gewesen. 1949 darf dann der Großteil von ihnen wählen – und der VdU schafft es locker ins Parlament. Hier zeigt sich übrigens auch der zentrale Unterschied zur AfD und der äußersten Rechten in Deutschland.

Während die AfD erst seit 2017 im deutschen Bundestag sitzt, ist die extreme Rechte in Österreich bereits seit 1949 parlamentarisch verankert. Die FPÖ sitzt seit Jahrzehnten im Parlament, in den Landtagen, in Bürgermeisterämtern und in vielen weiteren Institutionen. Sie ist „normalisiert“. Deshalb ist auch die offene Nazi-Szene in Österreich weit kleiner als in Deutschland: Die FPÖ verspricht Aufstieg und Karriere.

„Gauleiter“ Strache: Ins Gefängnis oder ins Parlament

Fast exemplarisch wird das später der langjährige Parteivorsitzende Heinz-Christian Strache zeigen. Er beginnt in der deutschnationalen Schülerverbindung „Vandalia“ in Wien und beteiligt sich an Aktionen der Neonazi-Szene. Die österreichische Neonazi-Größe Norbert Burger bezeichnet Strache später als seinen „Vaterersatz“. Fotos zeigen den jungen Strache in Uniform bei mutmaßlichen Wehrsportübungen.

Damals ist Strache im Milieu von Neonazi-Führer Gottfried Küssel. Und wie es auf der Bude seiner „Vandalia“ zugegangen sein soll, schildert ein ehemaliger Strache-Freund gegenüber dem Boulevardblatt OE24 später so: „Es gibt keine Diskussion – wir waren damals eindeutig Neonazis. (…) Wir haben uns auf der Bude regelmäßig mit dem Hitler-Gruß gegrüßt (…).“ Strache selbst wollte angeblich als „Gauleiter“ angesprochen werden.

Doch Strache entscheidet sich schließlich für die Karriere in der FPÖ – und bringt es bis zum Vizekanzler der Republik. Küssel dagegen wandert über Jahre ins Gefängnis.

Selbst der VdU ist vielen noch zu wenig rechts – und die Industrie unterstützt

Bleiben wir aber noch kurz bei der Frühgeschichte der FPÖ! Denn bald brechen im VdU Fraktionsstreitigkeiten aus: Vielen Nazis ist selbst der VdU noch zu wenig weit rechts. Mehrere Landesparteien fordern eine Neugründung unter Führung von SS- Brigadegeneral Reinthaller. Unterstützt werden die Spalter:innen, so der FPÖ-Historikerbericht, von der Industrie.

Die hätte „die gewohnten Zuwendungen gesperrt, um eine schnellere Einigung der einander bekämpfenden Gruppen zu erzielen“. Dabei hilft unter anderem auch eine „Aktion zur politischen Erneuerung“. Es ist eine adelig geprägte ÖVP-Abspaltung, die 1951 zum VdU übergeht. Und auch die ÖVP selbst spielt bereits damals eine wichtige Rolle.

Die ÖVP unterstützt die Nazi-Fraktion – und viele Nazis unterstützen die ÖVP

Der langjährige Austrofaschist und spätere ÖVP-Bundeskanzler Julius Raab trifft sich Anfang 1955 mit Reinthaller. So schreibt es laut FPÖ der VdU-Politiker Viktor Reimann. Und erst Raab hätte den hochrangigen Nazi Reinthaller schlussendlich zum Wiedereintritt in die Politik überredet.

VdU-Mann Kraus laut FPÖ-Historikerbericht über das Kalkül der ÖVP:

„Wir werden an der Stelle des VdU eine Partei von solchen Nazi-Größen aufbauen, dass es kein Sozialist wagen kann, mit ihr eine Koalition zu bilden. Akteure für die neue Partei sind da. Die Nazi sind ja hilflos und auf uns angewiesen.“

Sprich: Die ÖVP bereitet eine Koalition mit den Nazis vor.

Für die ÖVP ist das allerdings nur die zweitbeste Variante. 1949 hatte sie in einer Geheimkonferenz im oberösterreichischen Oberweis noch versucht, die Gründung des VdU überhaupt zu verhindern. Stattdessen sollten sich die Nazis der ÖVP anschließen. Bei vielen gelingt das auch: Für die Nationalratswahl 1949 unterschreiben über hundert bekannte Nazis einen Wahlaufruf für die ÖVP. Mehr über die Nazi-Wurzeln der ÖVP habe ich hier aufgeschrieben.

Spaltungen wie später in der AfD

Doch erst mal geht es im VdU weiter drunter und drüber. Mehrere Landesverbände gründen sogar eine eigene Partei, die Freiheitspartei. Egon Denz, der ehemalige Nazi-Bürgermeister von Innsbruck, leitet am VdU-Parteitag im Februar 1955 die nächste Spaltung ein, seine Fraktion verlässt den Saal.

Der damalige FPÖ-Chef Strache wird übrigens einmal die Situation der AfD mit der Gründungszeit der FPÖ vergleichen: „Die Alternative für Deutschland ist ja eine Partei, die sich in den Geburtswehen befindet“, sagt er 2017 bei einer Pressekonferenz. Wie im „Jahr 1949 bei der FPÖ oder beim VdU“. Die AfD hätte somit noch „viel an interner Bereinigung und Geschlossenheit vor sich“, so Strache.

Es ist eine durchaus treffende Beobachtung der Spaltungsgeschichte der frühen AfD – und zeigt gleichzeitig auch, welch väterliches Verhältnis die FPÖ oft gegenüber der AfD einnimmt. Doch von welcher Bereinigung und Geschlossenheit spricht Strache da?

Eindeutige Botschaften schon bei der FPÖ-Gründung

Die neue Partei in Österreich wird schließlich auf dem Gründungsparteitag am 7. April 1956 aus der Taufe gehoben: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist geboren. Im Gegenzug lösen sich der VdU und die Freiheitspartei offiziell auf. Und die Ausrichtung der neuen „Blauen“ ist von Beginn an eindeutig.

Schon die „Freiheit“ der FPÖ ist ein Code: Es ist vor allem die „Freiheit“, wieder weitgehend offen auftreten zu können, nachdem die alliierten Truppen 1955 abgezogen waren. Und schon der Gründungsparteitag steht unter dem Motto „Glaube – Treue – Opferbereitschaft“, wie auch ein Foto auf der Seite des FPÖ-Bildungsinstituts zeigt. Es ist ein klares Signal an die Nazibasis.

„Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?“

Und schließlich bürgt SS-General Reinthaller als erster Vorsitzender für braune Kontinuitäten. Wie die FPÖ heute zu Reinthaller steht? Das zeigt etwa das bereits erwähnte FPÖ-Video zur Parteigeschichte.

Reinthaller sei von einigen „als ehemaliger NS-Minister als Nazi abgestempelt“ worden, heißt es da. Doch „von vielen als hochrangiger Idealist geehrt“. Zu behaupten, dass ein Naziminister „als Nazi abgestempelt“ worden wäre, erinnert an ein berühmt gewordenes Titelbild im Satire-Magazin Titanic: „Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?“

Rechts für Reiche und Establishment

Besonders gut verankert sind die Blauen schon damals im deutschnational und burschenschaftlich dominierten Establishment kleiner und mittelgroßer Städte: Den Apothekern, Ärzten und Anwälten (die männliche Form ist dabei nicht zufällig gewählt). Gut verankert ist die FPÖ aber auch unter Großbauern und Holz-Industriellen, vor allem in Kärnten und der Steiermark. Es sind die sogenannten „Sterzgrafen“.

Und schließlich sind da die guten Verbindungen zur Stahl- und Chemieindustrie vor allem in Oberösterreich. Und die gibt es bis heute: So sei der oberösterreichische Ableger des Industrie-Dachverbands Industriellenvereinigung bis heute „am Blau-affinsten“, da gäbe es „die wenigsten Berührungsängste“. Das sagt einer, der es wissen muss: Hans Peter Haselsteiner, Chef der österreichischen Strabag und damit einer der größten europäischen Bauunternehmer.

Haselsteiner selbst war lange Jahre der wichtigste Finanzier der neoliberalen Neos, der österreichischen Schwesterpartei der FDP. Die Neos sind übrigens aus einer Abspaltung der FPÖ entstanden. Die Verbindungen der FPÖ zur Industrie könnten jedenfalls ein wesentlicher Grund sein, warum aus der FPÖ bis heute die menschengemachte Klimakrise verharmlost und geleugnet wird.

Die nächste Nazi-Generation kommt ans Ruder

Bald stößt auch die nächste Generation zu den alten Nazi-Eliten in der FPÖ. Einer von ihnen ist der Wiener Karl Kowarik. Vor dem Zweiten Weltkrieg war er Führer der gesamten Hitlerjugend in Österreich gewesen. Nach der Niederlage der Nazis verständigt er sich (wie viele andere Nazis) mit der US-Administration und soll nun in Zusammenarbeit mit dem US-Militär eine „österreichische Nachrichtenorganisation“ aufbauen. Die soll „im Ernstfall als antibolschewistische Untergrundbewegung funktionieren“.

Gleichzeitig beteiligen sich Kowarik und andere nunmehrige US-Agenten führend an der Gründung des VdU. Und Kowarik macht dabei Karriere: Zwischen 1957 und 1960 wird der frühere HJ-Führer sogar Generalsekretär der FPÖ. Gleichzeitig steht Kowarik auch fast exemplarisch für die Kontinuitäten in der FPÖ, die bis heute nachwirken.

Denn auch Enkel Dietbert Kowarik ist politisch aktiv geworden. Inzwischen sitzt er ebenfalls für die FPÖ im Gemeinderat der Bundeshauptstadt Wien. Zusätzlich arbeitet er unter anderem als Notar für die Gruppe Identitäre. Und schließlich ist Burschenschafter Dietbert Kowarik auch noch in der deutschnationalen Sportorganisation Österreichischer Turnerbund (ÖTB) aktiv.

Menschen im Ofen verbrennen ist ein „Pflichtlied“

Eines der „Pflichtlieder“ des ÖTB für Kinder: „Wann die Leit grantig sein, schiabt mas in‘ Ofen nein und heizt ein!“ Also Menschen in den Ofen schieben und verbrennen. Hier habe ich diese Geschichte für euch aufgeschrieben.

Beim „Bundesjugendturnfest 2024“ des ÖTB in Mödling bei Wien taucht FPÖ-Gemeinderat Kowarik dann gemeinsam mit dem Nachwuchs auf, wie ich vor Ort recherchiere. Und so wird die nächste Generation einschlägig vorbereitet. Vorfeld-Organisationen wie der ÖTB sorgen damit auch für die eindeutigen Kontinuitäten in der FPÖ.

Die zentrale Rolle der Burschenschaften

Bewahrt werden die einschlägigen Traditionen der FPÖ auch und vor allem über die deutschnationalen Student:innenverbindungen. Die Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften und anderen Verbindungen waren schon in den 1920er Jahren die Keimzelle der NSDAP. Und bis heute findet dort die ideologische Schulung statt, dazu werden auf den Buden rechte Karrieren geschmiedet und Netzwerke geknüpft.

Und: In den Verbindungen kommen alle Fraktionen der extremen Rechten zusammen. So sind die meisten FPÖ-Führungsfiguren ebenso „korporiert“ wie der Kaderkern der Identitären von Martin Sellner abwärts oder auch die Spitze der österreichische Neonazi-Szene. Damit sind die Korporationen die wichtigste Scharnierorganisation der österreichischen Rechten. Alles was ihr über Burschenschaften wissen müsst, könnt ihr hier lesen.

„Finde den Naziopa“

Personen, die selbst noch NSDAP-Mitglieder waren, finden sich heute in der FPÖ naturgemäß kaum mehr. Dafür sorgen biologische Prozesse. Doch gleichzeitig steht die Kowarik-Dynastie exemplarisch für ein Muster, das wir in der FPÖ bis heute immer wieder finden. Wäre es ein Brettspiel, hätte es den Namen „Finde den Nazipapa“ oder „Finde den Naziopa“.

Jörg Haider hatte ich bereits erwähnt, dessen Eltern überzeugte Nazis waren. Und auch Heinz-Christian Straches Großvater Erich Wild war Mitglied der Waffen-SS, wie die beiden Journalistinnen Nina Horaczek und Claudia Reiterer in ihrer Biografie „HC Strache“ schreiben. Später, als FPÖ-Chef, sagt Strache dann über die Waffen-SS, er „lehne es ab, Menschen pauschal abzuurteilen oder ein ganzes Volk zu kriminalisieren“.

Es bleibt „Althochdeutsch“

Auch Straches Kurzzeit-Nachfolger als FPÖ-Chef, Norbert Hofer, kommt wohl aus interessantem Hause. Schon sein Vater Gerwald war Obmann der FPÖ-Truppe „Freiheitlicher Seniorenring“ im östlichen Bundesland Burgenland gewesen. Norbert Hofer heißt übrigens mit vollem Namen ebenfalls „Norbert Gerwald Hofer“. Sagen wir es so: Dieser althochdeutsche Name ist in Österreich generell eher ungebräuchlich.

Und der aktuelle FPÖ-Chef Herbert Kickl? Über dessen Großeltern herrscht Unklarheit. Was Kickl aber selbst im April 2024 auf Youtube sagt: Sein Großvater wäre „bei den Panzern im Russlandkrieg“ gewesen. Er war also mindestens in der Nazi-Wehrmacht. Kickl hatte nach eigenen Angaben zu diesem Großvater ein besonders inniges Verhältnis, wie er im Video berichtet.

Und auch Kickl hatte 2010 in einer TV-Diskussion behauptet: „Eine Einheit wie die Waffen-SS“ wäre nicht „kollektiv schuldig zu sprechen“. Was wir ebenfalls wissen: Als Innenminister behauptete Kickl 2018 im österreichischen Parlament, dass Neonazismus in Österreich nicht strafbar wäre. Das ist Unsinn.

YouTube player

Im Paragraf 3g des österreichischen Verbotsgesetzes steht eindeutig, dass jede Betätigung „im nationalsozialistischen Sinn“ verboten ist. Doch die Neonazi-Szene wird Kickls Auslassungen zweifellos mit Freude vernommen haben.

FPÖ-Chef Kickl: Trägt Rechtsextremismus-Vorwurf „wie einen Orden“

In einer absurden Geschichtsfälschung behaupten bürgerliche und rechte Kreise in Österreich und Deutschland heute gerne, dass Hitler und die Nazis angeblich Sozialisten gewesen wären. AfD-Chefin Alice Weidel versteigt sich gar zur abstrusen Behauptung, Hitler wäre „Kommunist“ gewesen.

Tatsächlich ist das nur ein extrem billiger und durchschaubarer Versuch, die Geschichte des eigenen politischen Lagers zu verwischen. Die FPÖ zeigt das besonders deutlich – und nachdem die österreichischen Blauen eine jahrzehntelange Geschichte haben, lassen sich die Spuren einfach nicht verwischen. Doch im Gegensatz zu Weidel ist FPÖ-Chef Kickl immerhin weitgehend ehrlich.

Beim FPÖ-Neujahrstreffen 2024 rief er seinen johlenden Anhänger:innen zu: Wenn er „als rechtsextrem beschimpft“ werde, dann so Kickl, „trage ich diese Beschimpfung wie einen Orden“. Da bleiben keine Fragen offen.

Artikelbild (Kickl): Heinz-Peter Bader/AP/dpa

The post Die braunen Wurzeln der FPÖ appeared first on Volksverpetzer.

Wie ist deine Reaktion?

like

dislike

love

funny

angry

sad

wow